22.04.2024. Der Trend wird weltweit in vielen Ländern beobachtet: Auch in Deutschland ist das durchschnittliche Alter von Vätern bei der Geburt ihrer Kinder, laut einer aktuellen Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und der Universität Oldenburg, in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Während es 1991 noch bei 31,0 Jahren lag, waren Väter 2022 bei der Geburt ihrer Kinder im Schnitt 34,7 Jahre alt. Zugleich macht die Studie erstmals deutlich, dass das heutige Durchschnittsalter der Väter im historischen Vergleich nicht ungewöhnlich ist.
Historisch nicht ungewöhnlich
Dem BiB zufolge, liegt das heutige durchschnittliche Alter der Väter bei Geburt von Kindern unter oder nur leicht über den zu Beginn des 20. Jahrhunderts registrierten Werten. So waren etwa in Frankreich um 1900 die Väter bei Geburt, dem heutigen Niveau entsprechend, im Durchschnitt 34 Jahre alt. Bis in die 1970er Jahre ging das Durchschnittsalter dann stark zurück und lag Anfang der 1970er um die 30 Jahre, bevor es ab 1980 wieder anstieg. Ähnliche Entwicklungen seien für Schweden, die USA, Japan und weitere Länder dokumentiert. Aussagen zu Langzeitentwicklungen in Deutschland seien nicht möglich, da die Daten zum Alter der Väter bei der Geburt ihrer Kinder erst seit 1991 durchgängig vorliegen.
Die hohen Alter zu Beginn des 20. Jahrhunderts seien dadurch zu erklären, dass die Familiengründung aus wirtschaftlichen Gründen relativ spät erfolgte. Zudem habe es viele kinderreiche Familien gegeben, in denen die letzten Kinder in einem relativ hohen Alter geboren worden seien. Dies habe sich in der ersten, industriell geprägten Hälfte des 20. Jahrhunderts geändert, als viele Erwerbstätige früh im Arbeitsleben höhere Einkommen erzielen konnten, was eine frühzeitige Familiengründung ermöglichte. Gleichzeitig sank der Anteil kinderreicher Familien; viele Eltern schlossen ihre Familienplanung früher ab. Ab den 1970er Jahren veränderten sich die Rollenverständnisse von Frauen und Männern: Es entstanden neue attraktive Karrieremöglichkeiten für Frauen, höhere Anforderungen an die berufliche Qualifikation und bessere Bildungsangebote führten bei beiden Geschlechtern zu längeren Ausbildungszeiten. Diese Entwicklungen trugen neben anderen Einflussfaktoren letztlich zu einem steigenden Geburtsalter bei, so die Studienautoren.
Alte Väter – kranke Kinder?
In der Diskussion weisen die Autoren einerseits auf die mit dem väterlichen Alter steigenden biologischen Gesundheitsrisiken für das Kind hin. Androloginnen und Andrologen haben diese im Fokus. „Das Alter der Männer, die bei eingeschränkter Fruchtbarkeit Hilfe suchen, ist in den letzten 20 Jahren am bei uns am CeRA um etwa vier Jahre gestiegen“, berichtet DGA-Pressesprecher Dr. Jann-Frederik Cremers, leitender Oberarzt der Abteilung für Klinische und Operative Andrologie am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA), Universitätsklinikum Münster. Das Deutsche IVF-Register e.V. (D·I·R)® weist in seinem Jahrbuch 2022 einen Anstieg des mittleren Alters der Männer bei Inanspruchnahme eines assistierten Reproduktionsverfahrens (IVF, ICSI, IVF/ICSI) von 35,2 Jahren im Jahr 1997 auf 38,6 Jahren in 2022 aus. Bekannte Gesundheitsrisiken sind vor allem ein statistisch erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen bei Kindern älterer Väter. Zudem führt das höhere Alter des Vaters bei allen Verfahren der assistierten Reproduktion zu etwas schlechteren Ergebnissen als bei jüngeren Vätern. Auch gibt es u.a. starke Hinweise, dass ein erhöhtes Alter des Vaters ein statistisch erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt, für eine Frühgeburt und ein niedriges Geburtsgewicht bedeutet. Mehr dazu lesen Sie, kompakt zusammengefasst, in der Pressemappe zur 34. DGA-Jahrestagung.
Andererseits weisen die Autoren in ihrer Studie “The current ‘dramatically’ high paternal ages at childbirth are not unprecedented” auch auf mögliche Vorteile eines höheren Alters des Vaters hin: Ältere Väter seien in der Regel bereits mehr im Arbeitsmarkt etabliert und könnten ihren Kindern potenziell einen finanziell besser abgesicherten Start ins Leben ermöglichen. Außerdem seien die gestiegene Lebenserwartung und die Folgen des Fortschritts in der Medizin zu berücksichtigen: Ein heute 35 Jahre alter Mann ist im Durchschnitt gesünder als ein 35 Jahre alter Mann vor 50 Jahren. Der medizinische Fortschritt könne zudem gesundheitliche Folgen abmildern, die eine späte Vaterschaft für das Kind hat. Für eine bessere Einschätzung der Vor- und Nachteile gelte es, bestehende Forschungslücken zu schließen, so die Bevölkerungsforscher.
Die Pressemitteilung des BIB und die Originalpublikation finden Sie unter folgendem Link:
https://www.bib.bund.de/DE/Presse/Mitteilungen/2024/2024-04-09-Vaeter-bei-Geburt-von-Kindern-immer-aelter-Hohes-Durchschnittsalter-aber-kein-neues-Phaenomen.html