Presseinformation

Abschluss Pressemitteilung Andrology 2020

Erster digitaler Welt-Kongress der Andrologen endet mit Appell: Fruchtbarkeit als Fenster zur Gesundheit des Mannes neu bewerten

Münster. Ob in Argentinien, Australien oder Kanada, in China, Russland, den USA oder in Europa: Mehr als 700 Androloginnen und Andrologen rund um den Globus haben an der Online-Premiere des weltgrößten Andrologie-Kongresses teilgenommen. Vom 5. bis 9. Dezember 2020 hatten die International Society of Andrology (ISA), die European Academy of Andrology (EAA) und die Deutsche Gesellschaft für Andrologie (DGA) erstmals gemeinsam getagt. Unter der Leitung der beiden Kongresspräsidenten Prof. Dr. med. Sabine Kliesch, Chefärztin der Abteilung für Klinische und Operative Andrologie, Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Stefan Schlatt, Direktor des CeRA, rückte Münster als digitale Kongress-Zentrale des virtuellen Events in den Mittelpunkt der andrologischen Fachwelt. Eine der wichtigsten Botschaften von Andrology 2020 betrifft unfruchtbare Männer, denn sie haben ein hohes Risiko für weitere Begleiterkrankungen.

„Die andrologischen Fachgesellschaften hatten einen Traum von einem weltumspannenden Präsenzkongress und wir haben ihn 10.000 E-Mails und Hunderte von Zoom-Konferenzen später, trotz Corona-Pandemie virtuell wahrgemacht“, resümieren die Organisatoren Prof. Kliesch und Prof. Schlatt. Während des Kongresses waren permanent 200 bis 300 Teilnehmende online. „In der pandemischen Situation war das digitale Format perfekt, um Einblick in die jüngste Forschung und klinische Entwicklungen zu gewinnen und andrologische Kompetenz in Forschung und Patientenversorgung weltweit zu stärken.“ Beide Tagungspräsidenten hoffen auf einen stimulierenden Effekt für die Zukunft der Andrologie mit dem Ziel, die Gesundheit der männlichen Bevölkerung zu verbessern.

Dafür brachte Andrology 2020 eine Reihe klinisch relevanter Erkenntnisse: So ist der Zusammenhang zwischen Testosteronmangel und erhöhter Sterblichkeit in Studien gesichert, was die Notwendigkeit der Behandlung eines Hypogonadismus unterstreicht. „Vor allem müssen wir die Fruchtbarkeit des Mannes neu bewerten und als Indikator für die Männergesundheit ansehen und unsere Patienten dahingehend beraten“, sagt Kongress- und DGA-Präsidentin Kliesch. „Wir wissen heute, dass die Fruchtbarkeit ein Fenster zur Gesundheit des Mannes ist und schwerstinfertile Männer im späteren Leben deutlich häufiger Begleiterkrankungen entwickeln, die ihre weitere Lebenserwartung beeinflussen.“ Das sogenannte OAT-Syndrom führt nach epidemiologischen Studien zu einem erhöhten Risiko für Tumorerkrankungen. Betroffene Männer haben zu wenig, zu gering bewegliche und vermehrt fehlgeformte Spermien. Ihr Risiko für Keimzelltumoren ist 2-3fach erhöht, das Risiko für Prostatakarzinome ist 1,7fach erhöht, und ihr Risiko für Krankenhausaufenthalte wegen kardiovaskulärer Erkrankungen steigt mit abnehmender Spermienzahl.

Mit Blick auf Keimzelltumoren zeigt sich eine zunehmende Bedeutung der genetischen Prädisposition und von Umweltfaktoren. In der Diagnostik sind neue „miRNAs“ den klassischen Tumormarkern (AFP, hCG, LDH) zum Teil überlegen.

Die soziale Komponente der Männergesundheit machen noch unveröffentlichte Daten einer asiatischen Studie deutlich. Dem Asian Male Health Report zufolge haben unverheiratete Männer ein 3-mal höheres kardiovaskuläres Erkrankungsrisiko. Heirat reduziert das kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko demnach um 46% während ein niedriges Einkommen die Rate ischämischer Herzerkrankungen verdoppelt.

Beim Thema ungewollte Kinderlosigkeit betonte der Past-President der DGA, Prof. Dr. Hermann M. Behre, dass es von zentraler Bedeutung sei, immer das infertile Paar in den Blick zu nehmen und beide Partner zu untersuchen. Der Faktor Zeit sei dabei nicht zu unterschätzen, denn trotz großer Fortschritte bei der assistierten Reproduktion mit Schwangerschaftsraten von bis zu 80% nach vier Behandlungszyklen bleibe das Alter der Frau entscheidend für die Erfolgsrate. Studien zeigten, dass Frauen zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung im Durchschnitt 35,5 Jahre alt sind und die Schwangerschaftsrate dann bei nur noch 35% liegt. Umso wichtiger, dass es mittlerweile eine ganze Reihe neuer Spermienfunktionstests gibt, die ihren Weg aus der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung finden und die Funktionsstörungen auf zellulärer Ebene sichtbar werden lassen. Ein großer Fortschritt für die Behandlung des Paares mit unerfülltem Kinderwunsch.

Für großen Forschungsbedarf sorgt das Corona-Virus auch in der Andrologie: Bereits jetzt wurde in einer Studie ein Zusammenhang zwischen Testosteron und dem Verlauf einer COVID-19-Erkrankung beobachtet. Danach ist ein zu 95% günstiger Krankheitsverlauf zu erwarten, wenn der Testosteronwert bei stationärer Aufnahme über 5 nmol/l liegt. Dagegen bedeutet die Testosteronabnahme von 1 nmol/l unter diesen Schwellenwert bereits ein um 42% erhöhtes Risiko für einen ungünstigen Krankheitsverlauf. Völlig unklar ist derzeit noch, ob die Expression der Rezeptoren, an denen das Virus im Hoden problemlos andocken kann, tatsächlich Effekte auf die Fruchtbarkeit haben wird.

Nach insgesamt mehr als 300 Vorträgen und Präsentationen sowie technisch perfektem Ablauf dankten die Tagungspräsidenten Prof. Kliesch und Prof. Schlatt der andrologischen Community, die Andrology 2020 mit ihrer Teilnahme zu einem großen Erfolg gemacht haben.

Nachfolgende wissenschaftliche Preise wurden durch die Deutsche Gesellschaft für Andrologie (DGA) im Rahmen von Andrology 2020 vergeben.

Andrology Award 2019
Daniele Gianfrilli, Rom, Italien
„Risk behaviours and alcohol in adolescence are negatively associated with testicular volume – results from the Amico‐Andrologo survey“

Poster-Preise der DGA:
Lucas GA Ferreira, Sao Paulo, Brasilien
„TLR4/NFKB signaling pathway regulates epididymal embryonic development“

Meritxell Jodar, Barcelona, Spanien
„Unique features of human sperm circular RNAs /circRNAS)

Francesco Lotti, Florenz, Italien
„Clinical and psychological characteristics of men with primary and secondary couple infertility“

Sophie Kaldewey, Münster, Deutschland
„Does the FSHB c.-211G>T polymorphism impact the spermatogenic potential in infertile male patients?“

Vortrags-Preise der DGA:
Sharma Swati, Münster, Deutschland
„Developing testes-on-chip model to study in vitro primate spermatogenesis and endocrine dynamics“

Whiley Penny, Clayton, Australien
„Activin A modulates the pace of germ cell development at the onset of spermatogenesis“
Valeria Hasenmajer, Rom, Italien
„Sexual function in adrenal insufficiency: data from the DREAM trial cohort“

Sabine Kappes, Münster, Deutschland
„Does the sperm retrieval rate (SRR) result of a small test sample reliably predict the SRR on the day of ICSI?

Publikationspreis der DGA:

Margot J. Wyrwoll, Münster, Deutschland
„Bi-allelic Mutations in M1AP are a frequent cause of meiotic arrest and severely impaired spermatogenesis leading to male infertility“

DGA, EAA und ISA tagen erstmals gemeinsam

Andrology 2020: Weltweit größter Andrologie-Kongress geht online
 
Münster. Es ist ein Novum in der Andrologie: Erstmals in ihrer Geschichte veranstalten die International Society of Andrology (ISA), die European Academy of Andrology (EAA) und die Deutsche Gesellschaft für Andrologie (DGA) einen gemeinsamen Kongress. Nach der Devise „drei Gesellschaften ein Kongress“ wurde der 12. International, 11. European and 32. German Congress of Andrology, kurz Andrology 2020, ins Leben gerufen. Seine Premiere begeht der weltweit größte Andrologie-Kongress coronabedingt digital. Andrology 2020 geht vom 5. bis 9. Dezember 2020 online. Organisiert und durchgeführt wird das andrologische Groß-Ereignis in Münster, einem international renommierten Standort der Andrologie, unter der Leitung der beiden Tagungspräsidenten Prof. Dr. med. Sabine Kliesch, Chefärztin der Abteilung für Klinische und Operative Andrologie, Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) am Universitätsklinikum Münster und Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Stefan Schlatt, Direktor des CeRA, Westfälische Wilhelms-Universität Münster.
 
Ursprünglich wurden rund 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aller Kontinente vor Ort in Münster erwartet, doch infolge der Corona-Pandemie musste, wie so viele andere, auch dieser Kongress in ein digitales Format überführt werden. „Die Transformation unseres neuartigen Kongress-Konzeptes von einer Präsenzveranstaltung in ein virtuelles Treffen war eine weitere enorme Herausforderung“, sagt Prof. Kliesch. „Wir danken allen Beteiligten der drei Gesellschaften für ihre großartige Zusammenarbeit“, ergänzt Prof. Schlatt und betont, dass Andrology 2020 als Online-Kongress zugleich auch eine große Chance sei, der internationalen Fachwelt die virtuelle Teilnahme rund um den Globus ohne Anreise zu ermöglichen.
 
Für den Präsidenten der ISA, Prof. Dr. rer. nat. Andreas Meinhardt, stellvertretender geschäftsführender Direktor Institut für Anatomie und Zellbiologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, die Präsidentin der EAA, Csilla Gabriella Krausz, Professorin für Endokrinologie, Universität Florenz, und die Präsidentin der DGA, Prof. Kliesch, bietet der erste gemeinsame Kongress der drei großen Vertretungen in der Andrologie ein noch nie dagewesenes Forum, Aktuelles aus ihrem Fachgebiet in allen Facetten und für alle Vertreter der Andrologie abzubilden. Zu ihnen gehören sowohl Naturwissenschaftler*innen, die zum Teil Grundlagenforschung oder translationale Forschung betreiben, als auch Kliniker*innen, die schwerpunktmäßig Androlog*innen sind und in Deutschland vor allem in den Fachbereichen Urologie, Endokrinologie und Dermatologie vertreten sind. International zählen zudem viele Kinderärzte, Genetiker und Reproduktionsmediziner zu den Andrologen.  
 
Andrology 2020 beinhaltet sowohl ein aktuelles Fortbildungsprogramm als auch ein spannendes Wissenschaftsprogramm, das den gesamten Bereich von der Grundlagenforschung bis zur Klinik abdeckt und den Bogen von der Fertilitätsprotektion über die Sexualmedizin und den alternden Mann bis hin zu Spezialthemen wie der Spermien- oder Nebenhodenfunktion und männlichen Kontrazeption spannt. Überdies werden von den drei Fachgesellschaften zahlreiche Stipendien an ausgewählte Nachwuchswissenschaftler vergeben, die insgesamt 222 Abstracts eingereicht haben. Sechs Plenarsitzungen, mehr als 20 Symposien und 110 geladene international bekannte Top-Referent*innen sowie 15 Poster-Sessions mit 181 Poster-Präsentationen spiegeln die Breite des Programms. 
 
Den Auftakt macht die deutschsprachige DGA-Jahrestagung vom 5. bis 6. Dezember mit weiteren acht Symposien und vielen Live-Vorträgen, auch aus der Organisationszentrale im CeRA in Münster. „Die DGA wird in diesem Jahr vier Vortrags- und vier Posterpreise sowie erstmals einen Publikationspreis der Fachgesellschaft vergeben“, sagt Prof. Dr. med. Kliesch, die Ende 2019 als erste Frau in das Amt der Präsidentin der DGA gewählt wurde. Am Nachmittag des 6. Dezember beginnt das internationale Kongressprogramm, das die Programmkommissionen der ISA, der EAA und der DGA gemeinsam aufgestellt haben. 
 
Die Highlights sind zahlreich. Vor dem Hintergrund weltweiter Publikationen zu einer abnehmenden Spermienkonzentration und -qualität sehen die lokalen Organisatoren Prof. Kliesch und Prof. Schlatt vielversprechenden Erkenntnisgewinn etwa bei der Infertilitäts-Diagnostik, wo die Genetik immer weitere Aufschlüsse zulässt und neue Marker für Spermienfunktion und -bildung aus der Grundlagenforschung inzwischen in die Klinik kommen. „Und die Neubildung von Spermien aus Hodenstammzellen gewinnt vor diesem Hintergrund noch eine viel größere Bedeutung“, so Schlatt, der in diesem Themenfeld seinen wissenschaftlichen Schwerpunkt hat. 
 
Zunehmend an Bedeutung gewinnt die Erkenntnis, dass die Fruchtbarkeit des Mannes wie ein Fenster zur Gesundheit ist. „Männliche Fertilität ist ein Merkmal, das mit Gesundheit einhergeht. Epidemiologische Studien zeigen, dass schwerstinfertile Männer im späteren Leben deutlich häufiger Begleiterkrankungen entwickeln, die ihre weitere Lebenserwartung beeinflussen“, erklärt Prof. Kliesch. Das sei von gesundheitspolitischer und gesellschaftlicher Relevanz und müsse die Beratung betroffener Männer mit Blick auf die Sekundärprävention verändern und künftig berücksichtigt werden, so die Urologin und renommierte Andrologin. 
 
Auch zum Hormonhaushalt des Mannes gibt es neue Daten. Große Testosteron-Studien aus den USA und Studien zum Zusammenhang zwischen männlichem Hypogonadismus, einer Unterfunktion der Hoden, die mit einem Testosteronmangel einhergeht, und kardiovaskulärem Risiko sowie Diabetes mellitus zeigen deutlich, dass Testosteron ein wichtiger Metabolit ist, der ganz wesentliche Steuerungsfunktionen im männlichen Organismus hat. „Testosteron ist also weit mehr als ein Lifestyle-Medikament für den Mann, wie immer wieder angeführt wird“, betont DGA-Präsidentin Prof. Kliesch. Allein in Deutschland sind bis zu 5% aller Männer von einem Testosteronmangel aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichen Lebensphasen betroffen.
 
Vorgestellt werden im Rahmen von Andrology 2020 ebenfalls neue Leitlinien, die die Fachgesellschaften konzipiert haben. Darunter ist die erste Leitlinie zum Klinefelter-Syndrom, welche die EAA unter Federführung von Prof. Dr. med. Michael Zitzmann, CeRA Münster, erstellt hat und die einen Meilenstein bei der Versorgung der Betroffenen darstellt. Männer mit einem Klinefelter-Syndrom haben ein zusätzliches X-Chromosom in ihrem Chromosomensatz, sind meist unfruchtbar und leiden häufiger an einem Metabolischen Syndrom, Osteoporose oder Blutarmut, auch infolge eines Hormonmangels. Obwohl das Klinefelter-Syndrom einen von 500 Männern betrifft, bleibt es oft unentdeckt. Um die Krankheitserkennung zu optimieren, werden auch erste Daten zur Anwendung künstlicher Intelligenz zur Erkennung des Klinefelter-Syndroms vorgestellt. 
 
Mit Spannung werden auf dem weltweit größten Andrologie-Kongress außerdem brandaktuelle Vorträge zum Thema COVID 19 in der Andrologie, etwa zum Zusammenhang zwischen Krankheitsverlauf und Testosteronmangel erwartet.
 
Den durchgängig aufgezeichneten Vorträgen des englischsprachigen Programms folgen interaktive Live-Diskussionen mit den Referenten, die den internationalen Austausch unter den Teilnehmenden ermöglichen. Damit die virtuellen Besucher in allen Zeitzonen der Welt teilhaben können, werden die Kongressinhalte über das Streaming hinaus bis zum 9. Januar 2021 für registrierte Teilnehmer abrufbar sein. Insgesamt sind 30 CME-Punkte beim digitalen Andrology 2020 erreichbar.
 
Die lokalen Organisatoren, Prof. Sabine Kliesch und Prof. Stefan Schlatt, laden die Presse herzlich zum Online-Besuch von Andrology 2020 ein. Ein Foto zum Download von Prof. Sabine Kliesch und Prof. Stefan Schlatt steht Ihnen hier kostenfrei zur Verfügung.  Fotohinweis: Foto: Bertram Solcher

Medienvertreter können sich über die Kongressorganisation Conventus kostenfrei akkreditieren:
Juliane Schönau
Tel.: +49 3641 31 16 347
E-Mail: juliane.schoenau@conventus.de