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Anspruch auf Kryokonservierung von Samenzellen bei geschlechtsangleichender Behandlung möglich

Urteil in letzter Instanz

12.09.2024. Der Weg führte über alle drei Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit: Nun hat das Bundessozialgericht (B 1 KR 28/23 R) entschieden, dass Personen, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung eine geschlechtsangleichende Behandlung von Mann zu Frau durchführen lassen, gegenüber ihrer Krankenkasse Anspruch auf die Kryokonservierung von Samenzellen haben können.

Seit Juli 2021 übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die Kosten für die Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen, wenn durch eine medizinisch notwendige Behandlung, wie eine medikamentöse Behandlung bei gut- oder bösartigen Erkrankungen, eine Strahlentherapie oder eine Operation, die Fortpflanzungsfähigkeit verloren gehen könnte. Die rechtliche Grundlage dafür bilden die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Kryokonservierung (Kryo-RL) sowie § 27a Absatz 4 SGB V.

Im konkreten Fall beantragte der Kläger bei der beklagten Krankenkasse wegen einer beabsichtigten Geschlechtsangleichung von Mann zu Frau erfolglos die Übernahme der Kosten einer Kryokonservierung seiner Samenzellen. Während des erfolglosen Widerspruchsverfahrens schloss der Kläger einen Vertrag mit einem Anbieter für Kryokonservierungsleistungen ab und forderte die Übernahme der Kosten der Kryokonservierung. 

In erster Instanz gab das Sozialgericht dem Kläger Recht und verurteilte die Krankenkasse zur Kostenübernahme. Daraufhin legte die beklagte Krankenkasse erfolgreich Berufung beim Landessozialgericht ein, welches das Urteil des Sozialgerichts aufhob und die Klage abwies. Laut Landessozialgericht seien die Voraussetzungen für eine Kryokonservierung gemäß § 27a Absatz 4 SGB V sowie der entsprechenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht erfüllt. Die Kryokonservierung sei nur bei einer keimzellschädigenden Therapie und im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung vorgesehen, was im vorliegenden Fall unzutreffend sei.

Schließlich zog der Kläger vor das höchste Sozialgericht, welches zu seinen Gunsten entschied und damit das Urteil des Landessozialgerichts aufhob. In seinem Urteil vom 28. August 2024 hat das Bundessozialgericht final entschieden, dass eine geschlechtsangleichende Behandlung auch einen Anspruch auf Kryokonservierung von Samenzellen begründen kann. Demnach räume das Gesetz die Möglichkeit der Kryokonservierung vor keimzellschädigenden Behandlungen ein. Dies trage dem Bedürfnis Rechnung, die eigene Fortpflanzungsfähigkeit zu erhalten und gelte unabhängig von der geschlechtlichen Identität. Den Anspruch hätten demzufolge auch Personen, die auf Kosten der Krankenkasse eine geschlechtsangleichende Behandlung von Mann zu Frau durchführen.