Das Sozialgericht Berlin hat eine wegweisende Entscheidung im Streit um die Kosten der Kryokonservierung von männlichen Keimzellen getroffen: Laut dem Urteil vom 16. November 2022 (S 28 KR 63/22) umfasst der Anspruch auf Kryokonservierung von Keimzellen nach § 27a Abs. 4 SGB V auch die Kryokonservierung nach Transition. Die beklagte Krankenkasse wurde verurteilt, der Klägerin die bisher entstandenen Kosten für die Kryokonservierung zu erstatten und die weiterhin entstehenden Kosten für die Kryokonservierung bis zum Erreichen des 50. Lebensjahrs der Klägerin zu übernehmen.
In dem konkreten Fall führt die als Mann geborene Klägerin seit 2016 eine Transitionsbehandlung durch, deren Kosten von der beklagten Krankenversicherung getragen werden. Die Hormonersatztherapie wurde im Jahr 2016 unterbrochen, um die Kryokonservierung der Samenzellen zu ermöglichen. Die operative Geschlechtsangleichung fand ab September 2018 statt.
In seiner Entscheidungsbegründung folgt die Kammer nicht dem Vortrag der Beklagten, „dass die Voraussetzungen des § 27a SGB V nicht gegeben seien, weil die Unfruchtbarkeit als eine unvermeidbare Folge der Geschlechtsumwandlung bewusst in Kauf genommen werde und daher notwendiges Therapieziel sei und damit nach der Gesetzesbegründung nicht von § 27a SGB V umfasst sei.“ Weiter heißt es: „Dass die medizinisch notwendige Behandlung im Rahmen der Geschlechtsumwandlung zwingend die Unfruchtbarkeit zur Folge hat, führt nicht dazu, dass der Anspruch nach § 27a Abs. 4 SGB V ausgeschlossen wäre.“
Die Möglichkeit einer späteren medizinischen Maßnahme – als weitere Voraussetzung des § 27a Abs. 4 SGB V – sei ebenfalls gegeben. Es müsse lediglich die Möglichkeit bestehen, dass mit dem konservierten Material ein Anspruch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung umsetzbar ist. Das sei im vorliegenden Fall gegeben, denn die Klägerin könne eine Ehe nach eherechtlichen Vorschriften mit einer Frau eingehen und mit dieser dann unter Verwendung der kryokonservierten Samenzellen eine homologe Befruchtung durchführen. Ebenso sei denkbar, dass im Falle einer medizinisch notwendigen Retransition die Klägerin wieder als Mann eine Ehe mit einer Frau eingeht und im Rahmen dieser eine homologe Befruchtung erfolgt.
Das Urteil ist auf der Webseite der Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland einzusehen und weckt die Hoffnung auf Kostenübernahme in vergleichbaren Fällen.